Hey,

der letzte Post ist ja gar nicht sooo lange her. Es passieren Dinge. Schön, dass du wieder hier bist und das liest. So ne Depression hat ja leider oft sehr viel Geduld. Das ist nicht neu. Warum schreib ich denn heute schon wieder? Ganz einfach: es ist etwas passiert. Ich hab mich zu etwas entschlossen. Und genau das will ich dir erzählen.

Disclaimer: Ich schreibe über meine Erfahrungen, in der Hoffnung, dass sie anderen helfen, sich selbst zu helfen. Das hier kann, wird und soll keine Therapie ersetzen. Ich weiß, wie scheiße so ne Depression zuschlagen kann. Deshalb: hol Dir Hilfe.Bei ganz schlimmen Gedanken ruf bitte die Telefonseelsorge (0800-1110111) oder auch die 112 an.NICHTS UND NIEMAND ist es wert, sich Dinge anzutun. Du bist wertvoll. Nimm dir nicht die Möglichkeit, das irgendwann mal zu genießen, nur weil irgendwer oder irgendwas dich gerade jetzt getriggert hat.

Die Wurzeln meiner Depression liegen viele Jahre zurück. Um die Jahrtausendwende hatte ich eine mehr oder weniger schwierige Zeit. Wenn du die letzten Posts gelesen hast, weißt du auch, dass sich negative Gedanken verstärken, je mehr Raum/Zeit man ihnen gibt. So ist es leicht gesagt: „war ne scheiß Zeit.“. Wirklich? War wirklich ALLES so scheiße? Während wir bisher ja versucht haben, Grübeln zu vermeiden, weil sich die Vergangenheit eh nicht ändern lässt, habe ich mich jetzt mal bewusst damit beschäftigt, also nicht grübelnderweise. Nicht gefragt, Warum denn alles so schlimm war. Die Frage kann so oder so NIEMAND so beantworten, dass es dir oder mir was bringt. Also nein, darum geht es ausdrücklich nicht.

Ich hatte ein bisschen in alten Chatlogs gestöbert und stieß dabei auf jemanden, den ich damals schon sehr mochte. Blöderweise war er in München und ich in Berlin. Ich hatte damals keine Kohle, beschissene Arbeitszeiten und ne Menge Blockaden im Kopf. Es kam nie zu nem Treffen. So im Nachhinein tat mir das direkt wieder total leid. Denn schon damals hatte ich das starke Gefühl, dass ich dem Menschen n bisschen was bedeutete und er sich um mich sorgte. Ist sowas scheiße? Nein? Hey! War doch nicht alles doof damals. :)
Irgendwie dachte ich: Du schuldest dem Kerl was. Und wenns nochmal ne Entschuldigung ist, dass das damals eben nicht mit nem Date geklappt hat. MINDESTENS.
Nur wie erreich ich ihn? Und will er überhaupt noch mit mir reden?
Erste Idee: dieses Internet kann doch alles. Also mal im Fediverse und auf bsky ne „Suchaktion“ gestartet. Die Leute haben repostet noch und nöcher (für meine bescheidenen Verhältnisse). Und dann fand ich eine Festnetznummer, die er mir damals gegeben hatte. Hmmm… das war über 20 Jahre her. Sollte ich da einfach mal anrufen?

Ich tat es. Als ich die Nummer wählte, schlotterten mir die Knie wie vor meinem ersten Date.
Und: es klappte. Wir haben wieder Kontakt. Wir schreiben gerade sehr viel und das Ganze hat Tiefgang. Ich habe das Gefühl, wir knüpfen direkt an damals an. Wir verstehen uns.
Natürlich hätte es an allen Ecken und Kanten schief gehen können. Kann es immer noch.
Aber ganz ehrlich: ich bin froh, mich das getraut zu haben. Ich merke ja, was es mit mir macht. Und andere scheinbar auch. Ich genieße das gerade sehr.
Heute war ich ja wieder in Schöneberg zum Kaffee. Leute lächelten mich an oder grüßten sogar. Keiner von denen kannte mich.
Ich lief auch am Kalwil vorbei. Den Laden LIEBE ich. Draußen stand die Kellnerin und machte kleine Raucherpause. Ich grüßte sie und wir kamen ins Gespräch. Ganz einfach.
Jetzt ist die Preisfrage: hab ich das früher einfach nur nie mitbekommen oder hat sich meine Ausstrahlung so verändert, dass die Menschen anders auf mich reagieren? Ich gehe mal von der zweiten Variante aus.

Und noch mehr. Es dürfte mir nun viel leichter fallen, meinen Frieden mit den „verlorenen Jahren“ machen zu können, die „schlimme Zeit“ nicht mehr als nur schlimm zu sehen.
Das Ganze nimmt gerade erst Fahrt auf. Darum kann ich jetzt noch gar nicht viel sagen, aber eines fühle ich schon: die Depression hat wieder ne Menge Futter verloren. Das Leben ist eben nicht nur scheiße. Man kann sich das natürlich einreden, indem man dem negativen immer wieder und wieder Runden im Gedankenkarussel spendiert. Man kann aber eben auch mal schöne Sachen ausbuddeln und ins Karussel setzen. Das tut wirklich gut.

Ich will dir hier jetzt ganz explizit nix empfehlen, was du tun sollst oder nicht. Nur dies: Schau einfach, ob es da was gibt und überlege, ob du dabei ein gutes Gefühl hast.
Wenn ja (und nur wenn es ein zweifelsfreies ja ist): machen.
Wenn nicht: lassen und das Thema abschließen. Gucken, ob es was anderes gibt.

Ich bin überzeugt, dass keine Zeit immer nur scheiße ist. Wir neigen nur eben dazu, dem Guten viel zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen alles negative wieder und wieder durch unser Gehirn zu schubsen, bis es jede Ecke besudelt.

Ich habe keinen Schimmer, was ein(e) Therapeut(in) dazu sagen würde, aber für mich fühlt sich das gerade richtig gut und genau richtig an.


Soviel mal für heute. Pass bitte gut auf Dich auf.

Falls Du mir etwas sagen willst:
schreib mir doch an chaosrind.zerschnurrt.de
Ersetze einfach den ersten Punkt durch ein at.
Oder schreib mir in diesem Fediverse. Du wirst mich schon finden.

P.S.: der Text ist schnell geschrieben. Wer Fehler findet, darf sie behalten. :)