Disclaimer: Ich schreibe über meine Erfahrungen, in der Hoffnung, dass sie anderen helfen, sich selbst zu helfen. Das hier kann, wird und soll keine Therapie ersetzen. Ich weiß, wie scheiße so ne Depression zuschlagen kann. Deshalb: hol Dir Hilfe.

Bei ganz schlimmen Gedanken ruf bitte die Telefonseelsorge (0800-1110111) oder auch die 112 an.

NICHTS UND NIEMAND ist es wert, sich Dinge anzutun. Du bist wertvoll. Nimm dir nicht die Möglichkeit, das irgendwann mal zu genießen, nur weil irgendwer oder irgendwas dich gerade jetzt getriggert hat.

Hey, ich hatte vorgestern spontan die Idee, einen Weihnachtspost zu schreiben.

Überall hört man, dass das für viele eine schlimme oder schwere Zeit ist. Lange galt das auch für mich. Bei der letzten Nachsorge wurde auch gefragt, wer denn zu Weihnachten alleine sei.
Ich meldete mich und es wurde gefragt, mit welchem Gefühl ich da rein geh. Sehr spontan konnte ich sagen: ich hab keine Angst, werde die Ruhe genießen und nicht feiern.

Achtung, an dieser Stelle wird der Disclaimer oben nochmal wichtig. Bitte lies nicht weiter, wenn dich Dinge, die gescheiterte Beziehungen und Suizidgedanken betreffen, runter ziehen. All zu sehr ins Detail gehen werde ich dabei aber nicht.

Ich erzähle dir jetzt, was vor etlichen Jahren am Heiligen Abend passiert ist. Ich gehe davon aus, dass das ein maßgeblicher Auslöser meiner Depression war.

Eigentlich war ich ziemlich glücklich. Ich war endlich soweit geoutet und hatte tatsächlich auch einen Freund. Mit dem wollte ich Weihnachten verbringen. Ich war zuerst bei meiner Familie und fuhr dann anschließend zu ihm. Irgendwie wirkte er die ganze Zeit seltsam, aber ich dachte mir erst mal nix dabei, das gab sich dann auch irgendwann und wir beschlossen, in die Stadt in unser Lieblingslokal zu fahren. Das war für Heiligabend dann doch ganz gut gefüllt, auch ein paar Freunde von mir waren da. Es hätte also ein ganz schöner Abend werden können.

Nun, es wurde eher ein schlimmer Abend. Ich werde jetzt keine Einzelheiten beschreiben. Fakt ist: die Beziehung hat den Abend nicht überlebt und ich nur, weil mich meine Freunde damals besorgt beobachteten und mir das Versprechen abnahmen, dass ich anrufen würde, sollte ich nach hause fahren. Ich hätte auch da übernachten können, aber ich wollte... MUSSTE einfach weg.

Auf der Fahrt nach Hause war ich die ganze Zeit am Heulen. Aber ich kam an. Und ich hatte mir eines geschworen: NIEMALS würde ich für oder wegen solcher Arschlöscher mein Leben beenden. NIE. Dieser Gedanke hat sich bis heute gefestigt. Ich rief dann also bei den Freunden an und legte mich erst mal hin. Schlafen war aber irgendwie nicht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Am nächsten Tag rief ich meine Mutter an, mit der Folge, dass ich dann einige Monate nicht mehr mit ihr redete.

Damals ahnte ich nicht, wie sehr dieser Abend mein weiteres Leben prägen sollte. Heute weiß ich es. Seitdem hatte Weihnachten für mich immer auch seine negative Seite. Ich muss nicht sagen, dass die meistens überwog.

Etliche Jahre im Einzelhandel machten das nicht besser. Ich begann, Weihnachten regelrecht zu hassen. Die Zeit im Handel ist zum Glück vorbei. Mein Verhältnis zu Weihnachten hat sich etwas entspannt, aber feiern muss ich das trotzdem nicht. Für mich sind das im Idealfall ein paar Tage der Ruhe, des Innehaltens und auch des Genießens.

So ist es für mich auch kein Problem mehr, an Weihnachten alleine zu sein (ich werde das dieses Jahr sogar genießen, es mir gut gehen lassen und vielleicht sogar ein bisschen weiter renovieren), aber ich weiß sehr wohl, wie schlimm sich das anfühlen kann.

Meinen Frieden damit zu machen, ging nicht von einem Tag auf den anderen, das hat gedauert.

Bitte mach es dir nicht unnötig schwer. Wenn die Weihnachtstage für dich belastend sein sollten, versuche, dich abzulenken, irgendwas schönes zu machen (das muss gar nix mit Weihnachten zu tun haben). Niemand kann beurteilen, wie sich das für dich anfühlt, wie schlimm das für dich ist, was in dir vorgeht. Das kannst nur du. Gib nicht auf.

Aber wenn es wirklich gar nicht geht, such Dir Hilfe. Ruf z.B. die Hotline oben an. Du musst das nicht alleine durchstehen. Für ältere Menschen (ab 60) gibts auch das Silbertelefon unter 0800 470 80 90. Manchmal hilft einfach ein offenes Ohr.

Ich selbst beende das Jahr irgendwie ein bisschen kraftlos, aber nicht mutlos. Und ich wünsche Dir, dass du all das oben gar nicht brauchst, ein paar schöne Tage hast und gut ins neue Jahr kommst!
Wir lesen uns im neuen Jahr wieder!