Hey,
schön, dass du wieder vorbei schaust. Das Leben geht weiter, die Reha und die Nachsorge sind vergangen und ich habe jetzt immer noch Dinge, mit/an denen ich zu arbeiten habe. Das Gefühl sagt mir: läuft.

Disclaimer: Ich schreibe über meine Erfahrungen, in der Hoffnung, dass sie anderen helfen, sich selbst zu helfen. Das hier kann, wird und soll keine Therapie ersetzen. Ich weiß, wie scheiße so ne Depression zuschlagen kann. Deshalb: hol Dir Hilfe.
Bei ganz schlimmen Gedanken ruf bitte die Telefonseelsorge (0800-1110111) oder auch die 112 an.
NICHTS UND NIEMAND ist es wert, sich Dinge anzutun. Du bist wertvoll. Nimm dir nicht die Möglichkeit, das irgendwann mal zu genießen, nur weil irgendwer oder irgendwas dich gerade jetzt getriggert hat.


Seit der Reha nehme ich Johanniskraut, um das mit der Depression besser in den Griff zu bekommen. Ist ja pflanzlich, kann nicht schlimm sein, ne?
Und ob es das kann. Johanniskraut aktiviert ein Enzym in der Leber, das eine relativ wichtige Rolle spielt. Und so kommt es, dass das Zeug eben Wechselwirkungen mit fast allem hat, die nicht zu unterschätzen sind. Ich hab da Erfahrungen mit Kaffee (jawoll! Ich lag die Nacht im Bett wie ein Duracellhäschen auf Speed. Gar nicht lustig.), Hustenstiller (das genaue Gegenteil: 2h komaähnlicher Schlaf, danach war das Bett komplett nass geschwitzt. Nicht witzig) oder auch Foster Spray (Blutdruck war dann mal bei entspannten 150:100). Paracetamol wirkt quasi nicht, belastet aber trotzdem die Leber (gar nicht witzig). Johanniskraut ist NICHT harmloser als andere Antidepressiva. Ich bin jetzt an nem Punkt angelangt, wo das Wechselwirkungsrisiko möglicherweise den Nutzen überwiegt. Johanniskraut sollte man aber nicht einfach absetzen. Es wird jetzt über längere Zeit langsam ausgeschlichen.
Meine Überlegungen und auch Gespräche mit $Menschen brachten mich dann jetzt auch dahin, dass ich mal eine ADHS-Diagnostik machen werde. ADHS kann eine potente Quelle für Depression sein. Also wird das jetzt mal abgeklärt. Möglicherweise ist das der Schlüssel zu Vielem. Schauen wir mal.

Rückblende zum letzten Post: Der Nachsorgetherapeutin hatte ich versprochen, mittwochs einen anderen regelmäßigen Termin zu schaffen, der mir gut tut. Und jetzt werd ich ein bisschen ausschweifen. Weil ich es kann.
Ich gönne mir inzwischen jeden Mittwoch ein leckeres Stück Kuchen und Kaffee im schwulen Kiez in Schöneberg. Genuss ist wichtig, wenn man den Spaß am Leben wiederfinden will. Ich ziehe das auch durch, wenn die BVG das mit allen Mitteln zu verhindern versucht (die U2 ist derzeit echt kein Spaß). Mal eben schnell da rüber fahren ist gerade gar nicht so einfach. Aber ich laufe einfach Teilstrecken zu Fuß. Und schon hab ich auch Bewegung an der frischen Luft. Hilft gegen Depression. :)
Dazu kommt: in Schöneberg bin ich ein schwuler unter ganz offensichtlich sehr vielen. Das fühlt sich gut an. Schwule Szene ist in meinem Bezirk quasi kaum noch wahrnehmbar, sofern man nicht in eines der wenigen verbliebenen Lokale geht. Schade. Man versucht hier nur noch, möglichst alternativ zu sein. Am Ende sind alle gleich alternativ. Langweilig und irgendwie… weiß auch nicht. Ich fühle mich hier als schwuler Mann alleine. Selbst wenn ich in Schöneberg eben auch nicht dazu gehöre, so sind die Leute einfach überall präsent. Das reicht schon, um sich eben nicht alleine zu fühlen. So tut mir dieser neue regelmäßige Termin tatsächlich gleich in mehreren Hinsichten so richtig gut.

Auch im Sport läuft es jetzt nach zwei Zwangspausen dieses Jahr wieder ganz gut. Ich fühle mich endlich irgendwie wohl in meinem Körper und ich mag ihn. Ich muss mich nicht mehr verstecken, weil ich das Gefühl habe, dass das nicht passt oder was auch immer. Mach ich das mit dem Sport jetzt für andere? Nein, ganz sicher nicht. ICH fühle mich besser in dem sportlichen Körper, sogar sicherer irgendwie.

Achja: ja, ich gehe alleine weg. Ich hab keine Ahnung, warum niemand mit mir auch nur auf einen Kaffee will. Im Gegensatz zu früher interessierts mich aber auch nicht mehr wirklich. Antworten auf diese Frage bekommt man eh nicht. Menschen sind feige und trauen sich seltenst, zu sagen, was, warum, wieso… und ich renne denen nicht mehr hinterher. Wenn ich immer rumbetteln würde, wäre das direkt schlecht fürs Selbstwertgefühl und am Ende verplempert man so viel Zeit, dass man dann nicht mehr weg geht.
Fazit: lebe DEIN Leben. Frage nicht andere, ob du dies, das, jedes tun willst. Tu, wonach Dir ist und was dir gut tut.

Wenn Du alleine weg gehen willst, hab ich vielleicht noch einen Tipp:
Überlege Dir, wie Deine Stimmung ist und ob Du irgendwelche Erwartungen hast, wenn du irgendwo hin gehst. Ideal ist es, wenn du in guter Stimmung bist und NIX erwartest. Ne wackelige Stimmung oder Erwartungen, die enttäuscht werden könnten oder schlimmstenfalls beides zusammen sind vielleicht keine gute Voraussetzung. Da besteht Gefahr, die Depression zu füttern.
Bevor ich mal am Wochenende in ne Bar gehe (alleine), horche ich in mich rein. Passt es: hin da. Ansonsten lieber einen entspannten Abend, n Buch lesen, Filmchen gucken oder auch mal einfach schlafen.

Mit dem Kram fahre ich derzeit ganz gut.

Soviel mal für heute. Pass bitte gut auf Dich auf.

Falls Du mir etwas sagen willst:
schreib mir doch an chaosrind.zerschnurrt.de
Ersetze einfach den ersten Punkt durch ein at.
Oder schreib mir in diesem Fediverse. Du wirst mich schon finden.

P.S.: der Text ist schnell geschrieben. Wer Fehler findet, darf sie behalten. :)